Anthologie: Future Work – Die Arbeit von übermorgen

Anthologie: Future Work – Die Arbeit von übermorgen

Wie werden wir am Ende des 21. Jahrhunderts arbeiten?
Haben uns die globalen Konzerne in der Hand oder schaffen wir neue Formen gemeinschaftlicher Tätigkeiten? Grundeinkommen, Fronarbeit, die Jagd auf Credits, Mikrojobs, Job-Tauschbörsen, Künstliche Intelligenz oder Klone – wie wird die Zukunft aussehen? Große Veränderungen kommen auf unsere Gesellschaft zu und unsere Arbeit wird dabei im Zentrum der meisten dieser Wandlungen stehen, nicht zuletzt durch Digitalisierung und den Klimawandel.

Im Rahmen des BMBF-Forschungsprojekts FutureWork nehmen uns Autor*innen daher in 15 Science-Fiction-Kurzgeschichten in Zukunftsszenarien mit, in denen wir hautnah erfahren dürfen, wie sich Arbeitswelten am Ende des 21. Jahrhunderts anfühlen könnten.

Eine Auswahl weiterer Werke unserer Autorinnen und Autoren finden sich weiter unten.

Vorwort zum Projekt FutureWork

Oliver Pfirrmann, Ralf H. Schneider, Claudio Zettel

Vorwort

Einleitung zu artistic research

Julia Grillmayr

Fiktionales Arbeiten an der Zukunft der Arbeit

»SF-Figuren sind oftmals fröhlich überarbeitete Workaholics; man denke an die Hacker*innen, die mit eckigen Augen an ihren Keyboards kleben, an die Nerds, die über ihren Experimenten auf Labortischen eingeschlafen sind, oder an alienjagende FBI-Agent*innen, deren permanenter Schlafentzug sie dem Paranormalen noch zugänglicher macht.«
Dr. Julia Grillmayer
Literatur- und Kulturwissenschaftlerin

Szenario: Automatisierung

Theresa Hannig

Hand, Herz und Hose

»Ihr Leben lang war sie dazu erzogen worden, Ressourcen zu schonen und so viel wie möglich wiederzuverwenden. Evercycling war auch die Grundlage ihres Lebens gewesen. Und jetzt verdiene sie ihr Geld damit, all das zu verraten.«
Theresa Hannig
Autorin

Heidrun Jänchen

Die Moralische Instanz

»Zum ungefähr tausendsten Mal sagte sich Emma, dass sie nicht schuld daran war, dass Rebeccas Glaube, Kunst könnten nur Menschen machen, ein Irrglaube gewesen war. Programme, die auf riesige, unvorstellbar gigantische Datenbanken zugriffen, konnten einen Rembrandt, einen Hokusai oder einen van Gogh fälschen, und der einzige Unterschied waren die modernen Untergründe und Farben. Van Gogh hat nie den Kirchturm von St. Remy gemalt? Woher soll der Durchschnittsbürger das wissen? Er sieht perfekt vangoghig aus. Die Algorithmen wussten besser als van Gogh, wie van Gogh gemalt hatte. Es war en vogue, RoboArt zu kaufen.«
Heidrun Jänchen
Autorin

Jol Rosenberg

Wiederverwertung

»Polsar schnaubte. „Was kommt als nächstes? Freie Tage für Klone?“ Nein, keine freien Tage. Schon eine freie Stunde am Tag war gefährlich. Kein Mensch wusste, was ein Klon damit anfangen würde. Und Enrik wollte es auch nicht herausfinden.«
Jol Rosenberg
Autor*in
Vertonung von 'Wiederverwertung'

Franziska Rarey

Der Tag, an dem der Fahrstuhl stecken blieb

»Obwohl das Licht wieder leuchtet, rührt sich der Fahrstuhl kein Stück. Eine Minute unangenehmen Schweigens vergeht, während wir alle darauf warten, dass etwas passiert. Kalter Schweiß steht auf meiner Stirn, aber immerhin kann ich wieder atmen. „Ich glaube, wir stecken fest.“ Die Frau zieht tief Luft ein und stößt sie mit ei-nem Seufzen wieder aus. „Tun wir das nicht alle“, murmle ich leise und höre Lina neben mir kichern.«
Franziska Rarey
Autorin

Szenario: Postwachstum

Michael Edelbrock

Meer aus schwarzem Glas

»„Ein großes Projekt“, sagte sie bitter. „Und mir laufen die Kollegen davon. Warum sich anstrengen? Warum sich Mühe geben? Alle haben ein Dach über dem Kopf und fressen das geschmacksverstärkte Zeug aus den Feederlines. Du kannst alles haben, alles sein, jeden treffen, auf der ganzen Welt. Fuck! Sogar auf dem Mond und dem Mars, wenn du willst.“ „Vergiss nicht die tausend Fantasy-Welten!“, sagte er eifrig.«
Michael Edelbrock
Autor

Sonja Hermeneit

JobXchange – ein Leben, dreißig Jobs

»„Ist es denn nicht frustrierend, dass Sie mir das alles jetzt beibringen müssen, wo ich dann doch spätestens in drei Jahren wieder gehe?“, fragte ich den Mitvierziger namens Armand Belar. „Aber nein“, lachte er. „Und wenn Sie in drei Jahren gehen, bin ich ja auch schon längst wieder im nächsten Beruf.“ Ich hätte mir mit der flachen Hand vor die Stirn geschlagen, hätte ich nicht gerade beide Hände dazu gebraucht, einen dünnen Plastikschlauch in seiner dicken Ellenbeugenvene zu fixieren.«
Sonja Hermeneit
Autorin

Szenario: Abwärtsspirale

Melanie Vogltanz

Glückssache

»Sie konnte sich wahrlich Besseres vorstellen, als ein paar kümmerliche Credits durch das Recyceln von Abfällen fremder Menschen zusammenzukratzen. In ihrer Jugendzeit hatte es noch an jeder Straßenecke Mülleimer gegeben, doch die hatten mittlerweile zentralen Sammelstellen Platz gemacht, die von den Recycle-Freelancern aus der ganzen Gegend wie Wallfahrtsorte aufgesucht wurden. Keine leere Flasche, keine weggeworfene Verpackung lag lange auf der Straße, ehe sie von einer verzweifelten Hand aufgeklaubt wurde.«
Melanie Vogltanz
Autorin

Annika Zinn

Flow

»Erst da nehme ich die Musik wahr, die leise und unaufdringlich im Hintergrund spielt. Es sind banale Entspannungsmelodien, bei denen man sofort an die Ruheräume in Thermen, vielleicht aber auch ein Essen in einem teureren, asiatischen Restaurant denken muss. Plötzlich durchbricht eine weiche, geschlechtslose Stimme die Musik. Arbeiten macht glücklich, sagt sie. Ich liebe meine Arbeit … Leistung und Tatkraft sind der Weg zu einem erfüllten Leben … Arbeiten ist meine Bestimmung.«
Annika Zinn
Autorin

Alex Simona

Westcorp Crunchypops

»Droiden packen ihn bei den Armen. Ohne Widerstand folgt er ihnen. Ich frage mich, was sie mit ihm machen werden. Vermutlich verhören sie ihn und lesen dabei seinen Chip aus. Wenn Westcorp es eines Tages schafft, die Gedankenströme seiner Angestellten in Echtzeit zu verarbeiten, ohne sie mit speziellen Geräten auszulesen, ist alles vorbei. Dann gibt es gar keine Geheimnisse mehr.«
Alex Simona
Autorin

Lena Richter

3,78 Lifepoints

»Meine einzige Chance, mich vor einem desaströsen Minus an LifePoints zu bewahren, dessen Folgen ich mir lieber gar nicht ausmalen möchte. Sie haben mir wegen belanglosem Kleinkram mein SeroTone abgeschaltet. Wenn jetzt das Paket verloren geht, in die Hände der GuerillaGärten gefallen ist … ich könnte alles verlieren. Meine Wohnung, mein Recht auf medizinische Behandlung. Vielleicht sogar meinen Status als Bürger*in. Und ich weiß, was denen droht, die ihn nicht mehr haben«
Lena Richter
Autorin

Szenario: KI-Technokratie

Karlheinz Steinmüller

Sind sie Sklaven? Aus dem Leben in Kybernetien

»„Was hältst d-du von mehr Autonomie – oder einfach etwas Freizeit – für euch Sandros und überhaupt für alle KIs? Was meinst d-du?“ Sie sprach das „d“ doppelt, quasi stotternd mit einem kurzen Hiatus aus, in der Szene Kennzeichen eines Pronomens für nichtmenschliche „Personen“. „Solche Fragen stellen nur Menschen. Sandros bleiben im Rahmen ihrer Programmierung.“ „Und wie fühlst d-du d-dich dabei?“ „Solche Fragen stellen nur Menschen.“«
Karlheinz Steinmüller
Autor (Foto: Z_punkt GmbH)

Malte Aurich

Nach all diesen Jahren

»„Oh, das ist ein herrlicher Job!“ Henry lehnte sich grinsend zurück. „Man startet von der Rampe in Sydney, fliegt in einer Parabelbahn aus der Stratosphäre und stürzt um die klar erkennbare Erdkugel herum, um dreißig Minuten später in Rio auf der Rampe zu landen. Man lässt die Passagiere raus, nimmt die neuen rein, und ’ne halbe Stunde später ist man in Peking. Dann in London. Dann in Kapstadt. Dann in New York. Und so weiter und so fort. Dadurch, dass ich am Abend nach vier Stunden Arbeit wieder im Spaceport Hamburg lande, hab’ ich nicht einmal ’nen Jetlag.“«
Malte Aurich
Autor

Tanja Binder

Bad Data

»„Der Ursprung der Daten wurde verschleiert. Doppelte Prüfungen aus Kostengründen abgesagt. Da hat jemand gutes Geld verdient und ein paar Leute fürs Wegschauen bezahlt. Solange alle daran verdienen …“ Marla warf ihm einen zynischen Blick zu. Devin schluckte. „Und die anderen Systeme?“ Er deutete auf den Bildschirm. „ … wurden auch mit fehlerhaften Daten trainiert. Es ist ganz einfach: Du nimmst Daten, die billig sind, weil sie massenhaft anfallen, und verkaufst sie teuer. Sie müssen nur ungefähr auf das Zielsystem passen. Das fällt erstmal nicht auf – vielleicht sogar nie. Gibt es Probleme, werden die Fehlerprotokolle überschrieben und die Ursache vertuscht.“«
Tanja Binder
Autorin

Noch mehr Szenarien …

Christian und Judith Vogt

Das Eden Protokoll

»Die Arbeit der Drohnen übertraf die eines lebenden Menschen vielleicht nicht immer, aber die Maschinen erledigten sie auf jeden Fall schneller und billiger. Estefani brachte das manchmal zum Lachen: Generationenlang hatten Männer Frauen erzählt, sie würden aus machtvollen Positionen ausgeschlossen, weil ihre Körperkraft „nun einmal“ geringer war. Und nun stellte sich heraus: Körperliche Unterschiede zwischen Geschlechtern waren nichts gegen die Unterschiede in der Produktivität zwischen Maschine und Mensch.«
Judith und Christian Vogt
Autorin/Autor

Alessandra Reß

Dialog im Baltikum

»„Oh.“ Epa ist angenehm überrascht. In ihrem Alter ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, dass ihre Daten als Zahlungsmittel angenommen werden. Natürlich bedeutet das, dass sie dem Gespräch eine persönliche Komponente verleihen muss, aber warum auch nicht? Wenn sie sich nur über die Aussicht unterhalten will, kann sie auch mit ihrem Andro sprechen.«
Alessandra Reß
Autorin

Eine Auswahl weiterer Werke unserer Autorinnen und Autoren:

  • Aurich, Malte: Systemrelevanz. In: Reichl, Eugen: Space 2021. Das aktuelle Raumfahrtjahr mit Chronik 2020. München: VFR Verlag, S. 164-171. (Kurzgeschichte)

https://www.malteaurich.de/schreib-projekte/anthologien

  • Grillmayr, Julia: The Many-Layered Cake of Science Fiction. Audio Essay (And Some Written Notes). In: Gartmann, Thomas; Pauli, Christian (Hrsg.): Arts in Context. Kunst Forschung Gesellschaft. Bielefel: transcript Verlag 2020, S. 140-145. (Aufsatz)

https://elibrary.utb.de/doi/book/10.5555/9783839453223

  • Hannig, Theresa: Die Optimierer. Köln: Bastei-Lübbe 2017. (Roman)

https://theresahannig.de/die-optimierer/

  • Hannig, Theresa: Die Unvollkommenen. Köln: Bastei-Lübbe 2019. (Roman)

https://theresahannig.de/buecher/die-unvollkommenen/

  • Hannig, Theresa: König und Meister. Meschede: Edition Roter Drache 2021. (Roman)

https://theresahannig.de/buecher/koenig-und-meister/

  • Jänchen, Heidrun: Willkommen auf Aurora. Nittendorf: Wurdack Verlag 2012. (Roman)

http://wurdackverlag.de/produkt/willkommen-auf-aurora/

  • Reß, Alessandra: Die Türme von Eden. Hamburg: Lindwurm Verlag 2020. (Roman)

https://www.lindwurm-verlag.de/tuerme-von-eden/

  • Richter, Lena: Queer denken. Erzählstrukturen und Weltenbau aus queerfeministischer Perspektive. In: Das Science Fiction Jahr 2020. Berlin: Hirnkost Verlag 2020. S. 35-46. (Aufsatz)

https://shop.hirnkost.de/produkt/das-science-fiction-jahr-2020/

  • Richter, Lena; Vogt, Judith: Perfekte Körper, unperfekte Welten. In: Das Science Fiction Jahr 2019. Berlin: Hirnkost Verlag 2020. S. 405-414. (Aufsatz)

https://shop.hirnkost.de/produkt/das-science-fiction-jahr-2019/

  • Richter, Lena: Das Innerste der Welt. In: Doğan, Aşkın-Hayat; Eckermann, Patricia: Urban Fantasy: Going Intersectional. Berlin: Ach je Verlag 2021. (Kurzgeschichte)

https://ach.je/urban-fantasy-going-intersectional/

  • Rosenberg, Jol: Oben. In: c’t, 19, 2021, S. 182-185. (Kurzgeschichte)

https://www.heise.de/select/ct/2021/19/2031014560434240124

  • Rosenberg, Jol: Rechter Haken. In: Queer*Welten, 05-2021. Berlin: Ach je Verlag. 2021, S. 24-32. (Kurzgeschichte)

https://shop.ach.je/produkt/queerwelten-05-2021/

  • McFarlane, Anna; Murphy, Graham J.; Schmeink, Lars (Hrsg.): The Routledge Companion to Cyberpunk Culture. New York: Routledge Verlag 2020. (Sachbuch)

http://larsschmeink.de/?page_id=4312

  • Schmeink, Lars: Biopunk: Genetik und die SF. In: Das Science Fiction Jahr 2019. Berlin: Hirnkost Verlag 2020. S. 33-40. (Aufsatz)

https://shop.hirnkost.de/produkt/das-science-fiction-jahr-2019/

  • Schmeink, Lars; Müller, Hans-Harald (Hrsg.): Fremde Welten. Wege und Räume der Fantastik im 21. Jahrhundert. Berlin: Walter de Gruyter 2012. (Sachbuch)

http://larsschmeink.de/?page_id=4194

  • Steinmüller, Karlheinz: Corona und ihre Schwestern. Über Weltenden und andere Katastrophen. In: Das Science Fiction Jahr 2020. Berlin: Hirnkost Verlag 2020. S. 449-504. (Aufsatz)

https://shop.hirnkost.de/produkt/das-science-fiction-jahr-2020/

  • Steinmüller, Angela und Karlheinz: Der Traummeister. Berlin: Das Neue Berlin Verlag 1990. (Anthologie)

https://steinmuller.de/de/sf-literatur/science-fiction-buecher/traummeister

  • Steinmüller, Angela und Karlheinz: Windschiefe Geraden. Berlin: Das Neue Berlin Verlag 1990. (Anthologie)

https://steinmuller.de/de/sf-literatur/science-fiction-buecher/kurzgeschichten

  • Vogltanz, Melanie: Shape Me. Wien: ohneohren Verlag 2019. (Roman)

http://www.melanie-vogltanz.net/shapeme.html

  • Vogt, Judith und Christian: Anarchie Deco. Frankfurt am Main: FISCHER Tor Verlag 2021. (Roman)

http://www.jcvogt.de/anarchie-deco/

  • Vogt, Judith und Christian: Wasteland. München: Knaur Verlag 2019. (Roman)

http://www.jcvogt.de/romane/science-fiction/

  • Vogt, Judith C. Vogt: Die drei Geschlechter: Männer, Frauen und Aliens. Nichtbinäre Geschlechter in der Science Fiction. In: Das Science Fiction Jahr 2020. Berlin: Hirnkost Verlag 2020. S. 65-77. (Aufsatz)

https://shop.hirnkost.de/produkt/das-science-fiction-jahr-2020/

  • Vogt, Judith; Richter, Lena; Dodenhoeft, Kathrin (Hrsg.): Queer*Welten, 05-2021. Berlin: Ach je Verlag. 2021. (Buchreihe)

https://shop.ach.je/produkt/queerwelten-05-2021/

  • Zinn, Annika: Wir bringen Frieden und Hoffnung. In: Bergmann, Louisa; Bröcker, Olaf; Büngen, Alfred; Chilinski, Luisa Maureen; Karotki, Kim; Kausch, Oliver (Hrsg.): Ich in meiner Welt von morgen. 3. Vechtaer Jugendliteraturpreis (2020). Vechta-Langförden: Geest-Verlag 2020, S. 392-395. (Kurzgeschichte)

http://geest-verlag.de/shop/ich-meiner-welt-von-morgen-preistr%C3%A4gerinnen-und-ausgew%C3%A4hlte-teilnehmerinnen-des-wettbewerbs-der

 

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